Ausgangspunkt: Schuldfähigkeit 

Nach deutschem Recht hat man sich wegen einer Tat strafbar gemacht, wenn die Handlung einen Tatbestand des StGB (Strafgesetzbuch) erfüllt und diese Handlung dabei sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft war. Damit es zu einer Verurteilung kommen kann, muss ein Täter also schuldhaft gehandelt haben. Dazu muss er im Zeitpunkt der Tatbegehung schuldfähig gewesen sein. 

Schuldfähigkeit ist die geistige Fähigkeit einer Person, das Unrecht ihrer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Sie ist abhängig einerseits von der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täters und andererseits von individuellen Merkmalen wie zum Beispiel dem Alter. 

Varianten der Schuldunfähigkeit

Das Gesetz kennt in den § 19 und § 20 StGB zwei Fälle, in denen ausnahmsweise die Schuldfähigkeit fehlt und der Täter damit schuldunfähig war. 

Nach § 19 StGB wird bei Kindern unter 14 Jahren die Schuldunfähigkeit unwiderleglich vermutet, diese können daher nicht nach den Regelungen des StGB bestraft werden. Jugendliche im Alter von 14 bis einschließlich 17 Jahren sind strafrechtlich nur unter der Voraussetzung strafbar, dass sie im Zeitpunkt der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Schuldfähigkeit muss also im Einzelfall positiv festgestellt werden. Dies ist die sogenannte bedingte Schuldfähigkeit im Sinne des § 3 JGG, welche gesondert nach dem Jugendstrafrecht bewertet wird. 

§ 20 StGB geht grundsätzlich davon aus, dass Personen ab 18 Jahren in der Regel schuldfähig sind, sodass er sich darauf beschränkt, negativ die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit zu bestimmen.

Demnach muss eines der vier in der Norm genannten Kriterien vorliegen, welches dann zur psychologischen Schuldunfähigkeit führt. Die Schuldunfähigkeit bei Erwachsenen ist damit zweistufig aufgebaut, was die Hürde deutlich erschwert und zu einer eher restriktiven Annahme der Schuldunfähigkeit in der Rechtsprechung führt. Lediglich in ca. 0,3 % aller Gerichtsverfahren wird eine Schuldunfähigkeit festgestellt. 

Die vier normierten Kriterien sind eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, eine Intelligenzminderung oder eine andere schwere seelische Störung. 

Wenn eines dieser Merkmale festgestellt wurde, muss dann im zweiten Schritt bestimmt werden, dass der Täter gerade wegen dieses biologischen Merkmales unfähig war, das Unrecht der Tat einzusehen oder dieser Einsicht nach zu handeln. Es muss ihm also die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt gefehlt haben. 

Der alkohol- oder drogenbedingte Vollrausch stellt neben psychischen Erkrankungen den praktisch wichtigsten Fall der krankhaften seelischen Störung dar. Da beim alkoholbedingten Vollrausch kein allgemeiner Erfahrungssatz existiert, nach dem ein Mensch bei einer bestimmten Blutalkoholkonzentration schuldunfähig wäre, ist hier immer eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Allerdings hat die Rechtsprechung gewisse Grenzwerte als Indiz für die Schuldunfähigkeit entwickelt. So liegt regelmäßig ab einem Blutalkoholkonzentrationswert von mehr als 3 Promille Schuldunfähigkeit vor. Bei vorsätzlichen Tötungsdelikten wird aufgrund der zusätzlichen Hemmschwelle die Schuldunfähigkeit erst ab einem Wert von 3,3 Promille angenommen. 

Folge der Schuldunfähigkeit: Keine Strafe, sondern Maßregelung 

Wenn die Schuldfähigkeit gänzlich fehlt, hat der Täter bei der Tat schuldlos gehandelt und er bleibt straflos. Denn es gilt der Grundsatz: keine Strafe ohne Schuld. Wenn die Schuldunfähigkeit festgestellt vor Gericht wurde, kann daher keine normale Strafe verhängt werden. 

Anstelle einer Strafe kann jedoch das Gericht sog. Maßregelvollzug anordnen. Dies wird nicht als Strafe, sondern als Behandlung verstanden. So kann das Gericht beispielsweise nach § 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, wenn von der schuldunfähigen Person infolge ihres Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sind. Das Gericht hat dabei die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Anstelle des Strafvollzugs tritt dann der Maßregelvollzug

Voraussetzungen der verminderten Schuldfähigkeit

Häufiger als eine völlige Schuldunfähigkeit kommen Fälle der verminderten Schuldfähigkeit vor. Diese liegt vor, wenn die Fähigkeit eines Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, im Tatzeitpunkt erheblich eingeschränkt ist. Hier fehlt es also im Gegensatz zur Schuldunfähigkeit nicht gänzlich an der Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit, sondern diese ist vermindert. Die erste Stufe der Prüfung entspricht der Schuldunfähigkeit, sodass einer der vier biologischen Gründe aus § 20 StGB vorliegen muss. Die Auswirkungen auf zweiter Stufe sind nur nicht so schwerwiegend, dass die Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit gänzlich entfällt. Auch hier ist immer eine Prüfung des Einzelfalls durch das Gericht notwendig, jedoch ist ein Blutalkoholkonzentrationswert ab 2 Promille ein starkes Indiz für eine verminderte Schuldfähigkeit nach Alkoholkonsum. Bei Tötungsdelikten liegt der Wert bei 2,2 Promille.

Folge der verminderten Schuldfähigkeit: Möglichkeit der Strafmilderung 

Bei der verminderten Schuldfähigkeit bleibt der Täter strafbar, da er dennoch schuldfähig ist. Die Strafe kann jedoch nach § 49 I StGB gemildert werden. Wichtig ist zu beachten, dass es sich bei § 21 StGB, der die Möglichkeit der Strafmilderung regelt, nur um eine sogenannte „Kann-Bestimmung“ handelt. Das bedeutet, das Gericht ist nicht verpflichtet, eine Strafmilderung vorzunehmen, sondern kann nach Ermessen entscheiden, ob es diese anwendet oder nicht. 

Beratung für in Fällen der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit

Die genaue Kenntnis der Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit und die Anwendung der Rechtsprechung kann in strafrechtlichen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sein und taktisch entscheidend. Als erfahrene Strafverteidiger können wir Ihnen helfen, Ihre rechtliche Situation besser zu verstehen und die beste Strategie zu entwickeln. Wenn Sie Fragen zur Schuldunfähigkeit in Ihrem individuellen Fall oder zu anderen strafrechtlichen Themen haben, kontaktieren Sie uns gerne.